Politische Mitgestaltung / Politisches Engagement

Eine Demokratie lebt von der politischen Mitgestaltung aller Menschen, die in ihr leben. Eine demokratische Gesellschaft kann aber nur vielfältig und ausgewogen unter Berücksichtigung aller Interessen sein, wenn jeder dies auch tut: Mitgestalten.

Tagtäglich betreffen uns direkt vor unserer Haustür die Auswirkungen politischer Entscheidungen - sei es der Bau einer neuen Straße, die Eröffnung eines neuen Tagebaus, die Verseuchung von Seen oder Bächen oder aber die seltenen Fahrten öffentlicher Verkehrsmittel - die nicht von uns entschieden wurden. Dass Menschen ein Recht haben, sich an den Planungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen, ist ein wesentliches Merkmal der Demokratie. Dass Menschen dieses Recht nutzen, macht Demokratie lebendig und eine Region lebenswert.

Wie kommt es, dass politische Beteiligung der Bürger praktisch kaum Anwendung in unserer Region findet?

Wie ist es möglich, dass die Macht einer Lobby so viel größer ist als die Macht öffentlicher Institutionen und von Bürgern?

Und vor allem: Wie findet man Wege zu mehr Mitgestaltung?

In der Spinnerei versuchen wir, Antworten auf diese Fragen zu finden und als Ausgangspunkt zu nehmen, neue Handlungsmöglichkeiten zu finden und zu erproben:

Mit der Gründung der Bürgerinitiative „Strukturwandel jetzt – Kein Nochten II“ haben wir vielen betroffenen Menschen wieder eine Stimme in der Öffentlichkeit gegeben

Von uns organisierte Demonstrationen machten den Widerstand auch überregional deutlich. Mit Präsenz in Ausschüssen und Verfahren nahmen wir politischen Einfluss. Wir ermöglichten eine Klage, um die Rechtmäßigkeit der politischen Entscheidung bezüglich eines neuen Tagebaues zu hinterfragen.

Der einseitigen Berichterstattung und der starken Einflussnahme der Lobby setzen wir eine eigene Zeitung entgegen, um kostenlos allen Betroffenen einen Zugang zu Informationen zu ermöglichen. Dieser alternative Zugang ist von politischer Seite und von Seiten des Tagebaubetreibers unerwünscht. Mit Pressemitteilungen machen wir auf Missstände aufmerksam und mahnen Umweltzerstörung und Übergriffe gegen die freie Meinungsäußerung an.

Bei Diskussionsrunden, in Vorträgen, mit einer entsprechenden Homepage und anderen Formaten stehen wir mit Informationen und Beratung in der Öffentlichkeit.

Und nicht zuletzt kandidieren wir bei den Gemeinderatswahlen, weil wir auch auf Gemeindeebene politische Verantwortung tragen wollen.

Diese demokratischen Werkzeuge zur Mitgestaltung unserer Region nutzen wir nicht nur beim Thema Braunkohle, sondern auch wenn es um Themen wie Nachhaltigkeit, Bildungssystem, Umweltbildung und vieles mehr geht.

Wir wollen in der Spinnerei aber nicht dabei stehen bleiben, uns selbst politisch zu engagieren.

Wir wollen andere Menschen ermutigen selbst politisch ihr Lebensumfeld mitzugestalten

Um dieses Selbstverständnis vermitteln zu können, bedarf es eines regelmäßigen Austausches zwischen Menschen. Dieser kann nur stattfinden, wenn es dafür einen Ort gibt. Traditionell waren dies oft Gasthäuser, Kneipen, Kirchen oder Vereinshäuser. In unserer Region gibt es diese Orte immer weniger. Oder es findet dort stark beeinflusstes Diskutieren statt. Oft bedingt durch die - meist finanziell - gefühlte oder tatsächliche Abhängigkeit von der bestehenden Kohlelobby. Respektvolle Diskussionen auf Augenhöhe sind unserer Erfahrung nach eine Seltenheit. Sozialer Ausschluss oder Mobbing beim Äußern einer vom gefühlten Konsens abweichenden Meinung sind Normalität.

Gerade die politische Entwicklung rund um die Spinnerei ist für viele Menschen daher ein Indikator für die bedenkliche Gesamtsituation der Meinungsfreiheit und demokratischen Wirksamkeit in der Region. Wenn tätliche Angriffe auf die Spinnerei durch Kommunalpolitiker ignoriert oder verharmlost werden, wenn unsere Teilnahme an Einwohnerversammlungen zu Mobbing führt, bestätigt dies Menschen in ihrem Demokratieverdruss. Sie sind in der Folge entmutigt, (weiter) am politischen Leben teilzunehmen. Politische Entscheidungsträger können zwar die von der Spinnerei formulierten Ansätze kritisieren. Im Selbstverständnis einer pluralistischen, toleranten und demokratischen Gesellschaft dürfen sie aber nicht demokratische Grundrechte anderer einschränken.

Hier ist noch viel Demokratie-Arbeit in den nächsten Jahren und Jahrzehnten notwendig, bis eine tolerante politische Diskussionskultur etabliert ist.

Aus diesem Grund wollen wir hier in der Spinnerei eine Plattform bieten, die klar nach außen zeigt, dass alle persönlichen Meinungen respektvoll geäußert und diskutiert werden dürfen.

Dies ist in der Situation, in der sich unsere Region befindet, für viele Menschen wichtig. Für stark kontroverse Diskussionen bieten sich viele Themen an, z.B. Flüchtlinge, Wölfe, Braunkohle, Rechtsdruck etc.

Häufig zeigt sich bei den Diskussionen auch, dass eine sachliche Auseinandersetzung oder den Mut aufzubringen, sich öffentlich zu äußern, an fehlenden Informationen scheitert. Aus diesem Grund wollen wir Filme, Ausstellungen und Erlebnisberichte anbieten. Dabei ist nicht vorgesehen, dass solche Formate nur vom Verein „Eine Spinnerei – vom nachhaltigen Leben e.V.“ angeboten werden. Schon in den letzten Jahren haben mehrere Akteure und Vereine die Spinnerei als Plattform für ihre Veranstaltungen nachgefragt – so beispielsweise das Mobile Kino vom Filmclub von der Rolle '94, der BUND oder die Fahrradtour „Ideen erFahren“. Auch für die Zukunft besteht Interesse, die Spinnerei als Plattform zu nutzen.

In Zeiten von Pegida, AfD und abnehmendem Vertrauen in die Demokratie ist die öffentliche Anerkennung bürgerschaftlichen, demokratischen Engagements in unseren Augen von besonderem allgemeinen Wert.

Aus diesem Grund wünschen wir uns, dass zukünftig von kommunaler und Kreis-Politik unser ehrenamtliches bürgerschaftliches Engagement (Zeitung, Infoveranstaltungen, Bürgerbündnis, etc.) als Bereicherung der politischen und gesellschaftlichen Landschaft der Lausitz anerkannt, genutzt und unterstützt wird.

 

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